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Rezension "Hildegard von Bingen Küche: Nachhaltig & heilsam kochen" von Petra Zizenbacher
Essen wie im Mittelalter? Aus heutiger Sicht mag man wahlweise an Gelage an Fürstenhöfen oder an hungerleidendes Landvolk denken. Beides sind Extermvorstellungen, die natürlich in keinster Weise die Realität abdecken können. Oft wird vergessen, dass sich schon damals einige Menschen mit Vorteilen und Wirkung "richtiger" Ernährung beschäftigten und dass sie ein großes Wissen über heimische Wildkräuter besaßen, das in der modernen Gesellschaft nicht zum Allgemeinwissen zählt. In "Hildegard von Bingen Küche - nachhaltig und heilsam kochen" gibt die Medizinerin Dr. med. Petra Zizenbacher einen Überblick in Erkenntnisse naturheilwirksamer Ernährungsweisen und Zutaten, die vor rund 1000 Jahren durch die Äbtissin und Pionierin Hildegard von Bingen beschrieben wurden.

Zur Einführung erhalten Leser*innen einen Einblick in die Ernährungsgewohnheiten zu den Lebzeiten Hildegard von Bingens. Was empfahl die Äbtissin, wie sind die Ratschläge auch gerade aus nachhaltiger Perspektive heutzutage einzuordnen? Es folgen Aufzählungen von Nahrungsmitteln und deren Wirksamkeit - beginnend mit unterschiedlichen Gewürzen, Gemüse- und Obstsorten, Wildkräutern sowie Getreidearten, die in den Schriften Hildegard von Bingens Erwähnung finden. Die Autorin skizziert in dieser Einleitung kompakt und verständlich, sodass auch eine Person mit wenig bis gar keinen Kenntnissen einen leichten Einstieg erhält. Die Einführung weckt auch aufgrund ihrer Verständlichkeit bei Personen, die sich nicht im Voraus mit Heilkunde oder Ernährungsweisen der fernen Vergangenheit beschäftigt haben, Interesse. Positiv ist hervorzuheben, dass die Autorin trotz ihres hohen Meinung von Hildegard von Bingen keine Nacherzählungen der Ratschläge gibt, sondern einige Ideen aus heutiger Perspektive einordnet oder gar ablehnt.

"Hildegard von Bingen Küche" ist aber nicht nur Ratgeber, sondern auch Kochbuch: Auf knapp 50 der über 140 Seiten sind Rezepte zu finden, die sich überwiegend aus den erwähnten Zutaten zusammenstellen lassen. Die Integration der Freya-Bücher-App des veröffentlichenden Freya-Verlags gibt dem Buch eine interaktive Komponente: Neben einigen Rezepten sind im Buch Symbole angegeben, die mithilfe der kostenlosen App gescannt werden können und zu Hilfsvideos leiten. Zudem wurden einigen wenigen Rezepten Bilder beigefügt, oftmals sieht man jedoch nur die Zutat(en) und nicht das fertige Gericht. Vor allem da es sich um zum Teil unübliche Rezepte handelt, die Außenstehenden wahrscheinlich kein Begriff sind, wären an dieser Stelle Bilder sehr hilfreich. An den ausgewählten Rezepten fällt auf, dass viele eher ungewöhnlich sind und womöglich nicht unbedingt modernen Geschmäckern entsprechen. Das macht die Rezepte gerade für erfahrene Kulinariker*innen besonders spannend; einfache Konsensgerichte, um eine größere Gruppe bei der nächsten Feier zu bekochen, bietet dieses Buch aber weniger.

Kurze und prägnante Ausführungen zu den hervorgehobenen Heilkräutern, Getreide- und Gemüsearten sowie anderen Nahrungsmitteln geben zahlreich Auskunft über deren beschriebene Wirksamkeit. Zusätzliche Erläuterungen wären an manchen Stellen jedoch wünschenswert, vor allem bei Begriffen oder Konzepten, die nicht alltagsgebräuchlich sind und Lesern unbekannt sein könnten. Zum Beispiel ist an einer Stelle recht zu Beginn des Buchs von der antiken "Vier-Säfte-Lehre", die der Humoralpathologie entstammt, die Rede. An dieser Stelle wäre eine kurze Erklärung des Konzepts angebracht gewesen. Des Weiteren findet der durch Hildegard von Bingen geprägte Begriff "Viriditas" (lat. "Grünkraft") Erwähnung, wobei auch hier eine kurze Zusammenfassung der Bedeutung fehlt. Außerdem wären mehr belegte medizinische Fakten über Wirksamkeiten bestimmter Nahrungsmittel beziehungsweise eine deutliche Hervorhebung von überprüften Wirkungen gegenüber Annahmen gewünscht.

Alles in allem, bietet "Hildegard von Bingen Küche - nachhaltig und heilsam kochen" einen reichhaltigen Einblick in die Heilwirksamkeit von Nahrungsmitteln, die durch Hildegard von Bingen beschrieben wurde. Es ist ein ungewöhnliches, ausführliches Koch- und Ratgeberbuch, dessen Inhalte man so an anderer Stelle noch nicht gelesen hat. Gleichzeitig wird zum Teil Vorwissen oder zumindest eine Bereitschaft Dinge, die nicht weiter erklärt werden, nachzuschauen vorausgesetzt. Das sehr ansprechend gestaltete Buch kann man all jenen empfehlen, die nicht nur einfach nachkochen wollen, sondern auch Interesse an Hintergründen und einer Ernährungsphilosophie mitbringen.

 



 
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