Mit der Kraft der zwei Herzen
Die Bohlsener Mühle erhält den zweiten Platz beim Innovationspreis Bio-Lebensmittel-Verarbeitung 2007
Als ihn der Hilferuf des Vaters erreicht, studiert Volker Krause Volkswirtschaft in Hamburg und ist bereits geprägt von den Thesen des Club of Rome über die "Grenzen des Wachstums". Der väterliche Betrieb, die Bohlsener Mühle in der Lüneburger Heide, steht kurz vor dem Aus. Es ist die Zeit des großen Mühlensterbens, das Mahlen von Getreide bringt kaum noch Geld. Krause folgt dem Ruf und stellt auf Bio um - das hat der Mühle das Überleben gesichert. Was 1979 mit zwei Vertragsbauern begann, ist heute der größte Erzeuger von Bio-Backwaren und ökologischen Getreideprodukten in Niedersachsen, den über 125 Bauern aus der Umgebung beliefern. Weil die Bohlsener Mühle in der strukturschwachen Region den Ökolandbau in Schwung gebracht hat, wurde sie am 15.10.2007 auf der Anuga in Köln mit dem Innovationspreis Bio-Lebensmittel-Verarbeitung, Kategorie Mittelstand, ausgezeichnet.
Jedes Jahr im Juni, wenn auf dem Betriebsgelände das Mühlenfest stattfindet, wird auch dem Unkundigen die Bedeutung der Mühle für das Heide-Dorf Bohlsen und den gesamten Uelzener Raum deutlich: Bis zu 4.000 Besucher von nah und fern informieren sich auf dem Biomarkt, kosten Öko-Wein und Bio-Tapas und freuen sich an Samba, Straßentheater und einem bunten Kinderprogramm. Wer will, besichtigt die beiden Herzstücke des Betriebes: die über 150 Jahre alte Wassermühle, in der sieben Getreidearten zu Mehl, Schrot und Flocken vermahlen werden, und die vor zwei Jahren eingeweihte, über 100 Meter lange Backstraße, die bis zu 350 Kilo Teig pro Stunde zu Keksen und Kräckern verarbeitet. Das ungewöhnlich breite Sortiment der Bohlsener Mühle, das heute über 800 Produkte umfasst, entsteht quasi aus der Kraft der zwei Herzen. Die stete Innovationsfreude, mit der der Betrieb immer wieder Trends setzt, fand den Beifall der Jury. Aktuelle Produktneuentwicklung ist das Brotgebäck "Snäckebrot" - eine Art Zwitter aus Knäckebrot und Knabberei.
Kekse und Knabberwaren, die Renner unter den Produkten mit dem Logo einer fröhlichen Sonne über grünen Feldern, werden bundesweit vertrieben. Brot, Brötchen und Konditoreiprodukte liefert die hauseigene Fahrzeugflotte an Bäckereien und Naturkostläden in Hamburg, Bremen, Hannover und Braunschweig. In den Erzeugnissen des Betriebes sind häufig "exotische" Getreidesorten wie Einkorn oder Emmer verbacken. Diese Urgetreide erleben derzeit eine kleine Renaissance und das ist unter anderem der Bohlsener Mühle zu verdanken: Um das bruchstückhafte Wissen über Einkorn und Emmer zu vervollständigen, kooperierte die Mühle für eine dreijährige Feldstudie mit der Fachhochschule Osnabrück. Das Ergebnis: Beide Urgetreide sind im Anbau robust und anspruchslos; ihr hoher Mineraliengehalt macht sie ernährungsphysiologisch wertvoll; in der Backstube ist allerdings handwerkliches Geschick gefragt. Die Jury wertete den Forscherdrang der Bohlsener Mühle als wichtigen Beitrag zum Erhalt gefährdeter Nutzpflanzen.
Pluspunkte konnte der Betrieb auch auf einem anderen Gebiet sammeln: Schon seit geraumer Zeit treibt Volker Krause die Vision von der CO2-neutralen Produktion um. Einen kräftigen Realisierungsschub soll eine Pelletieranlage bringen, die Anfang 2008 in Betrieb gehen soll. Sie presst aus den jährlich 1.000 Tonnen Dinkelabfällen der Mühle kleine, zylinderförmige Pellets. Zwei Kilo dieser Presslinge ersetzen einen Liter Heizöl - effektiver lässt sich Abfall wohl kaum recyceln. Die eingesparten Klimagase werden ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur ausgeglichenen Klimabilanz sein. Die Jury belohnte die Bohlsener Mühle dafür mit dem zweiten Platz in der Kategorie Mittelstand.
Weitere Informationen unter www.bohlsener-muehle.de.
Innovationspreis Bio-Lebensmittel-Verarbeitung
Der renommierte Innovationspreis Bio-Lebensmittel-Verarbeitung wird alle zwei Jahre von der Schweisfurth-Stiftung in Kooperation mit der Anuga ausgeschrieben. Bewertet werden Neuerungen in fünf Innovationsfeldern: Rohstoff & Technologie, Ernährung & Gesundheit, Unternehmenskultur, Kooperation & Kommunikation und - seit 2007 - auch Klimaverantwortung. Zur Bewerbung sind Klein-, Mittel- und Großbetriebe aufgefordert, die ökologische Rohstoffe nach der Öko-Verordnung verarbeiten. Die Schirmherrschaft hat Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer übernommen.
www.innovationspreis-bio-verarbeitung.de