Klimaschutz im Alltag
Interview mit Rainer Grießhammer
"Privater Klimaschutz hat nur Vorteile" betont Rainer Grießhammer, stellvertretender Geschäftsführer des Öko-Instituts und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen sowie Autor des druckfrischen Buches " Der Klima-Knigge - Energie sparen, Kosten senken, Klima schützen". Für das PresseForum BioBranche (PFBB) befragte Renée Herrnkind, Demeter-Pressesprecherin, den Öko-Experten. Das Fazit: Klimaschützer leben gesünder und sicherer und sparen dabei noch bis zu 3.000 Euro im Jahr - und das bei gleichem Komfort.
PFBB: Herr Grießhammer, übersehen wir in der aktuellen Klimadebatte durch
das einseitige Schielen auf die Kohlendioxid-Problematik vor allem im Energiebereich andere Aspekte und Handlungsoptionen?
Rainer Griesshammer: Nur zu leicht. Die überaus wichtige Klimadebatte kann den Blick auf andere Probleme, aber auch auf ganzheitlichere Lösungen verdrängen. Es ist beispielsweise absurd, Lebensmittel nur nach ihrem Treibhauseffekt zu beurteilen - als ob es keine Probleme mit Gammelfleisch, mit Pestizidbelastung, mit zurückgehender Bodenfruchtbarkeit oder mit Fettleibigkeit gäbe. Umgekehrt bringen integrierte Lösungen gleich mehr Erfolg: Eine Ernährung mit mehr Gemüse und Obst und weniger Fleisch und mit Bio-Lebensmitteln ist gesünder und umweltfreundlicher und auch deutlich klimaschonender als konventionelle Ernährung und Landwirtschaft.
PFBB: Können sich Normalverdiener denn den Klimaschutz und Bio-Lebensmittel überhaupt leisten?
Rainer Griesshammer: Gesamtgesellschaftlich betrachtet können wir uns es schon mal gar nicht leisten, auf Klimaschutz und ökologische Landwirtschaft zu verzichten. Für die Konsumenten lohnt sich Klimaschutz auf jeden Fall. Ein Durchschnittshaushalt kann damit bis zu 3.000 Euro im Jahr sparen, und die sind dann gut investiert in Bio-Essen. Der Klima-Diätplan im "Klima-Knigge" gibt da konkrete und detaillierte Anleitungen zum Energiesparen.
PFBB: Sind da auch die jetzt Mode kommenden CO2-Bilanzen ein Thema?
Rainer Griesshammer: Im Klima-Knigge zeige ich die CO2-Bilanzen von Produkten - aber nur die von den wichtigen. Der englische Handelskonzern TESCO hat ja angekündigt, mehrere Zehntausend seiner Produkte bilanzieren zu wollen. Das wird er wohl in absehbarer Zeit gar nicht schaffen und es ist auch nicht sinnvoll.
Was nutzt es mir, wenn ich lese, dass für ein Päckchen Erdnüsse 75 Gramm Kohlendioxid anfallen? Einmal Volltanken mit etwa 50 Liter kommt locker auf 120.000 Gramm. Da spielt die Musik. Wichtiger wären meiner Meinung nach Richtwerte für Produktgruppen. Zum Beispiel verursacht die Produktion von Fleisch bis zu 100 Mal mehr Kohlendioxid als die von Gemüse. Und natürlich kann ich auch mit gesundem Menschenverstand vorgehen: Lebensmittel wie Erdbeeren, die mit dem Flugzeug transportiert werden, sind zwangsläufig mit einem hohen Treibhauseffekt verbunden. Und schmecken nicht einmal!. Verbraucher sind mit Hunderten von Labeln überfordert. Sie wollen wissen, was wichtig ist. In San Francisco sind in den Geschäften jetzt die Plastiktüten verboten worden. Aber wer weiß, dass ein Ferienflug nach San Francisco und zurück nach Frankfurt den gleichen Treibhauseffekt hat wie die Herstellung von 500.000 Plastiktüten?
PFBB: Kanzlerin Merkel hat den Klimaschutz zu ihrem persönlichen Thema gemacht - was sagen Sie dazu?
Rainer Griesshammer: Das finde ich natürlich gut - und ich wünsche mir und uns allen, dass Angela Merkel das angekündigte Klimaschutz-Programm auch durchsetzt. Aber das entschuldigt nicht, dass Agrarminister Seehofer gleichzeitig ankündigt, die Zuschüsse für die ökologische Landwirtschaft zu kürzen.