Milchnische
Textilien aus Non-Food-Milch
Kleinvieh macht auch Mist. Und aus einer kleinen Marktnische kann sich ein großer Markt entwickeln. Kann - muss nicht. Über Alternativen zum Absatz überschüssiger Milch denkt der ein oder andere Milcherzeuger vielleicht schon länger nach. Die Milchpreise sind nach wie vor auf sehr niedrigem Niveau.
Aus Milch kann man aber nicht nur Käse und Quark machen. Auch Textilfasern lassen sich daraus herstellen. Das hat Diplom-Biologin Anke Domaske zunächst aus ganz persönlichen Motiven ausprobiert und war damit erfolgreich. Das Verfahren stammt ursprünglich aus dem Jahr 1930, hatte aber einige Nachteile. Neben einem hohen Zeitaufwand, waren auch giftige Substanzen wie Formaldehyd notwendig. Domaske probierte mit Marmeladenkochtopf, Mixer und weiteren Zutaten wie Bienenwachs und Kleie auf dem heimischen Herd, wie sich das Verfahren verbessern ließe.
Um Milchfasern zu bekommen, wird getrocknetes Milcheiweiß, das Kasein, benötigt. Das wird mit natürlichen Rohstoffen und Wasser vermischt, durch sehr feine Löcher gepresst und getrocknet. Die Fasern werden auf eine Spule gezogen und können verwebt werden. Sie sind waschbeständig bis 60 Grad Celsius, können geschleudert und gebügelt werden. Für ein Kleid werden etwa drei Liter Milch benötigt.
Und woher kommt die Milch? Bisher wird nur Milch eingesetzt, die nicht mehr verkehrsfähig ist und somit kein Lebensmittel. Dazu gehört zum Beispiel abgelaufene Milch aus dem Handel, Milch von Kühen, die gerade gekalbt haben, oder Milch, die beim Transport nicht ausreichend gekühlt wurde und vernichtet werden müsste. Für die Faserherstellung ist die Milch umso eher geeignet, je älter und saurer sie ist. Erst dann flockt das Kasein aus. Auch "abgelaufener" Quark oder Joghurt kann verwendet werden. Überschüssige Milch, die sonst vernichtet würde, bekommt so eine neue Verwendung.
Renate Kessen
Stand 04.08.2016