Zwei Cent pro Flasche für die Umwelt
NABU fordert Umweltsteuer gegen die Mehrwegkrise
29. August 2014 - Der NABU fordert wegen der immer weiter steigenden Marktanteile umweltschädlicher Einwegflaschen aus Plastik die Einführung einer Umweltabgabe auf Getränkeverpackungen. Eine Materialsteuer zusätzlich zum Einwegpfand ebnet den Weg aus der Mehrwegkrise. Auch wird diese Abgabe im Sinne der Produktverantwortung Hersteller umweltbelastender Getränkeverpackungen mehr in die Pflicht nehmen. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag des NABU 2009, die angesichts der wachsenden Einwegquote nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat. Ein Rechtsgutachten von Professor Schmehl hat dem NABU nun bestätigt: Auch aus rechtlicher Sicht steht der Umweltsteuer nichts entgegen.
Die Probleme sind akut, denn mittlerweile wird mehr als die Hälfte aller Getränke in umweltschädlichen Einwegplastikflaschen und Dosen gefüllt und die Tendenz ist weiter steigend. Bei Erfrischungsgetränken liegt die Einwegquote sogar schon über 70 Prozent (UBA 2013). Ein Umsteuern ist dringend überfällig. Deutschland riskiert die Existenz seines europaweit bewunderten Mehrwegsystems, weil die Politik falsche Weichen gestellt hat. Das Einwegpfand hat nicht die gewünschte Lenkungswirkung entfaltet, so dass mit einer Abgabe gegengesteuert werden muss. Laut einer repräsentativen Umfrage im Juli 2013 hält auch fast die Hälfte - bei den Frauen ist es sogar eine kleine Mehrheit - eine Umweltsteuer auf Getränkeverpackungen für sinnvoll (Ergebnisse der Verbraucherumfrage 2013).
Die Umweltabgabe verknüpft Kreislaufwirtschafts- und Klimaschutzziele mit verantwortungsbewusster Marktwirtschaft: Die Abgabe würde der öffentlichen Hand bis zu drei Milliarden Euro jährlich einbringen. Die Gelder könnten für die Förderung umweltfreundlicher Unternehmen verwendet werden. Denkbar wäre auch die Unterstützung von Handelsfilialen, die bewusst auf ein Mehrwegsortiment setzen. Der Einsatz von Recyclingmaterial in der Getränkeverpackung soll den Unternehmen Steuervorteile verschaffen.
Der Liter Mineralwasser verteuert sich nach dem NABU-Vorschlag in der Einwegflasche aus Plastik um 9,4 Cent, in der Mehrwegflasche aus Plastik dagegen nur um zwei Cent. Der Liter Saft im Getränkekarton erhielte einen Preisaufschlag von 3,3 Cent. Für jede Getränkeverpackung ließe sich der Steuersatz deutlich senken, wenn der Materialeinsatz und der mit dessen Herstellung verbundene CO2-Ausstoß abnehmen. Vorteile entstünden so für wiederbefüllbare Mehrwegflaschen oder Getränkekartons, die mehrheitlich aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz bestehen. Auch der Einsatz von Recyclingmaterial in der Getränkeverpackung würde den Unternehmen Steuervorteile verschaffen. Das gleiche gilt für häufiger wiederbefüllte Mehrwegflaschen.
Wird die ursprüngliche Zielquote umweltfreundlicher Getränkeverpackungen von 80 Prozent mit Hilfe einer Abgabenlösung und klarer Kennzeichnung wieder erreicht, könnten allein in Deutschland über 400.000 Tonnen Plastikmüll und 1,5 Millionen Tonnen CO2 jährlich vermieden werden.
Rechtsgutachten bestätigen Sinn und Rechtmäßigkeit der Getränkeverpackungssteuer
Dass ein Getränkeverpackungssteuer nicht nur ökologisch sinnvoll ist, sondern auch rechtlich zulässig, bestätigte das Schmehl-Gutachten samt einer zweiten unabhängigen juristischen Stellungnahme von Professor Kristian Fischer. Die Rechtmäßigkeit hatten einzelne Experten und die Industrie immer wieder bezweifelt. Die jetzt veröffentlichten Gutachten machen klar, dass die Ziele und das Lenkungskonzept der Steuer mit der Berufsausübungsfreiheit, also dem deutschen Grundgesetz, sowie dem europäischen Binnenmarkt und Umweltrecht, also dem primären und sekundären europäischen Unionsrecht vereinbar sind und eine konsequente Fortführung der Verantwortung von Getränkeherstellern und Händlern zur Schonung von Ressourcen und Umwelt bedeuten
Die Hauptpunkte in den rechtlichen Einschätzungen zur Getränkeverpackungssteuer sind:
Der Gesetzgeber hat im Steuerrecht einen sehr großen rechtlichen Gestaltungsspielraum.
Abfüller und Händler auf dem deutschen und europäischen Getränkemarkt haben viele Möglichkeiten auf die Steuer zu reagieren, sei es durch den Austausch von umweltschädlichem Verpackungsmaterial oder durch einen Umstieg auf die Abfüllung in Mehrweggebinden sowie durch mehr Einsatz von Sekundärmaterialien.
Die Steuer kann klar diskrimierungsfrei gestaltet werden, da es in- und ausländischen Produzenten auf dem europäischen Markt mit im Grundsatz gleichen Wirtschaftsbedingungen möglich ist, Rohstoffe für ihr Verpackungsmaterial zu besorgen.
Die Erkenntnisse der Gutachten haben eine Wirkung über den Getränkemarkt hinaus, denn sie verdeutlichen, dass Ressourcensteuern sehr gut mit dem deutschen und europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar sind. Daraus ergeben sich für die Politik vielfältige Lenkungsmöglichkeiten für die Unterstützung einer umwelt- und ressourcenschonenden Wirtschaft.
Stand: 02.09.2014