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Radioaktive Verseuchung der Meere droht
Zu den möglichen Folgen der Atomkatastrophe in Japan

28. März 2011 - Viele Experten geben Entwarnung - der Verdünnungseffekt im Pazifik wäre so groß, dass die marinen Ökosysteme (noch) nicht dauerhaft radioaktiv verseucht würden. Aber wie lange gilt das noch? Die Lage am Unglücksreaktor in Fukushima entspannt sich nicht und für immer mehr Lebensmittel und Trinkwasserreservoirs an Land werden erhöhte Belastungen gemeldet. Und auch im Meer direkt vor Fukushima sind die Werte für das gefährliche Isotop Jod 131 durch den massiven Kühlwassereinsatz erhöht. Am Wochenende wurden die üblicherweise gemessenen Strahlungswerte um das 1.850-Fache überschritten.

Meeresorganismen reichern radioaktive Stoffe an
Während das Isotop Jod 131 nach spätestens 80 Tagen zerfällt und damit seine gefährliche Eigenschaft verliert, kann eine erhöhte Konzentration von Cäsium 137 auch aquatische Ökosysteme über Jahrzehnte belasten, mit teilweise noch unbekannten Folgen für die Meeresumwelt. Cäsium kann von marinen Organismen, zum Beispiel Algen und Planktonorganismen aufgenommen und anstelle von Kalium eingelagert werden. Entlang der marinen Nahrungsketten kommt es dann zur Akkumulation und spätestens am Ende der trophischen Kette, bei den großen Raubfischen, Walen oder dem Menschen, können dann gefährliche Konzentrationen erreicht werden.

Große Sorgen bereiten dabei insbesondere auch filtrierende Organismen wie zum Beispiel Muscheln, die große Mengen von Wasser zur Nahrungsaufnahme filtern und entsprechend viele Schadstoffe aufnehmen und anreichern können. Das Ganze ist sicherlich abhängig von der Dauer der Katastrophe und der Menge der emittierten radioaktiven Substanzen. Doch gerade hier machen uns die bisherigen Entwicklungen am Unglücksreaktor und auch die Informationspolitik des japanischen Betreibers wenig Mut. Noch immer gibt es keine Entwarnung und es besteht die akute Gefahr einer massiven Kernschmelze und längerfristigen Emission von radioaktiven Nukliden aus den beschädigten Reaktoren.

Radioaktivität nicht einschränkbar
Der Pazifik ist riesig. Horizontale und vertikale Strömungen sorgen für die Verteilung der gefährlichen Radionuklide und so besteht die Hoffnung, dass nach der Katastrophe an Land die zweite Katastrophe unter der Meeresoberfläche ausbleibt. Bisher ist lediglich die Fisch- und Meeresfrüchteproduktion im Umkreis von zehn Kilometern um den Reaktor verboten. Fische und Meeresfrüchte aus Japan sind für den deutschen Markt nur von geringer Bedeutung. 2010 hat Deutschland lediglich knapp 80 Tonnen Pollack (Alaska-Seelachs), Thunfisch und Wildlachs aus Japan importiert.

Doch weder machen radioaktive Belastungen an Ländergrenzen halt, noch fischen nur japanische Trawler in dem Teil des Pazifiks, der von der radioaktiven Wolke bedroht ist. Zudem sind viele der begehrten Schwarmfische hoch mobil und legen weite Strecken im Meer zurück. Regnet es, gelangen die radioaktiven Elemente Jod und Cäsium sowie die leicht flüchtigen Edelgase Xenon und Krypton ins Wasser und damit in das unübersichtliche Wirrwarr des marinen Nahrungsnetzes. Ihren Weg dort gezielt zu verfolgen, ist nahezu unmöglich.

Auch wenn aktuell noch keine Fischprodukte betroffen sein dürften, könnte diese Entwicklung langfristig das Aus für die Nutzung einzelner pazifische Fischbestände bedeuten. Denn selbst bei nur geringem Verdacht der radioaktiven Belastung dürfte sich kaum mehr ein Absatzmarkt in Europa finden lassen. Jetzt gilt es die entsprechenden Kontrollen zu verschärfen. Nach Meldungen des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts hat die deutsche Fischindustrie in der nordpazifischen Beringsee bereits damit begonnen.

Wie lange Cäsium die Meere nach Austritt belasten kann, zeigen Messwerte aus der Ostsee. Noch heute finden sich erhöhte Werte als Folge der Tschernobylkatastrophe 1986, auch wenn diese unterhalb der für den Menschen gefährlichen Konzentration liegen. Grund dafür ist auch der verhältnismäßig geringe Wasseraustausch mit der angrenzenden Nordsee und dem Nordostatlantik.